„Das Pflaster ist unangenehm weil es so hugelig ist!“- Das stellten die Kinder und Jugendlichen bereits zu Beginn der Stadtteilchecks in Milbertshofen fest, als sie über die ersten Stellen mit Kopfsteinpflaster fuhren. Nicht nur für Menschen im Rollstuhl ist das kleine Pflaster unangenehm, auch Blinde bleiben oftmals mit ihrem Blindenlangstock daran hängen. Gleichzeitig ist es jedoch eine gute Orientierungshilfe, denn z.B. sind viele Einfahrten so kleinteilig Steinen gepflastert.
Unterwegs waren die 28 Kinder und Jugendlichen der Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT) der Stiftung Pfennigparade am 30. März und 1. April mit dem Projekt „Auf Herz und Rampen prüfen“ des Kreisjugendring München-Stadt, bei dem Kinder und Jugendliche ihr Viertel auf bauliche Gegebenheiten, die für Menschen mit Behinderung hinderlich oder förderlich sind, testen. Durch Ausprobieren der Hilfsmittel – Rollstuhl, Augenbinde, Simulationsbrille und Blindenlangstock – erleben die Kinder wie es ist, sich damit im Alltag zu Recht zu finden. Die Kinder und Jugendlichen der HPT an der Grenze von Schwabing-West und Milbertshofen sind zum Teil auch im Alltag auf einen Schiebe- oder Elektrorollstuhl angewiesen und kennen sich damit aus. So war es einerseits ein Leichtes für sie, damit beim Stadtteilcheck „Auf Herz und Rampen prüfen“ unterwegs zu sein, gleichzeitig kannten sie aber auch viele Stellen im öffentlichen Raum, an denen es schwierig oder auch unmöglich ist, selbständig zu agieren. Neu war für alle Kinder, sich in die Perspektive von blinden und sehbeeinträchtigten Menschen zu versetzen. So merkten sie beim Stadtteilcheck, dass der sonst so „nervige“ 3cm-Abstand bei abgesenkten Bordsteinen für Blinde durchaus hilfreich ist, denn ohne ihn könnte man den Unterschied von Gehweg und Straße mit dem Blindenlangstock nicht mehr spüren.
Einige bauliche Barrieren, die den Kindern und Jugendlichen in ihrem Viertel aufgefallen sind, könnten durch Umbaumaßnahmen behoben werden. Wichtig wäre z.B. die Einrichtung eines Zebrastreifens in der Barlachstraße (Nr. 14), um die schlecht einsehbare Straße sicher in Richtung Petuelpark überqueren zu können. Auch in der stark befahrenen Knorrstraße wünschten sich die Teilnehmenden einen Zebrastreifen (Höhe Schopenhauerstraße), der den bestehenden Übergang mit Verkehrsinsel auch für Blinde sicherer machen würde. Schwierig wird es für Blinde auch, wenn Fuß- und Fahrradweg nicht mit einem tastbaren Höhenunterschied getrennt sind, z.B. in der Rümannstraße.
Neben baulichen Gegebenheiten im Straßenverkehr testeten die Kinder und Jugendlichen der Stiftung Pfennigparade auch Einrichtungen des alltäglichen Lebens, z.B. Banken, Supermärkte und Wertstoffsammelstellen. Letztere sind weder für Menschen im Rollstuhl noch für Blinde selbständig benutzbar. Die Container in der Rümannstraße und vor dem Supermarkt in der Knorrstraße Ecke Petuelring sind einheitlich beige und dadurch farblich nicht unterscheidbar.
Würden die Container aus unterschiedlich farbigem Material bestehen und wäre dies münchenweit einheitlich, könnten Sehbeeinträchtigte problemlos die richtigen Container finden, Blinde könnten dies mit Hilfe eines elektronischen Farberkennungsgeräts. Für Menschen im Rollstuhl müssten die Einwurflöcher weiter heruntergesetzt werden.
Das Besondere an den Stadtteilchecks mit der HPT der Stiftung Pfennigparade waren eindeutig die Kinder und Jugendlichen selbst, die auf Grund ihrer eigenen Lebensgeschichte als Menschen mit Behinderung vielfältige Erfahrungen im Umgang mit baulichen Barrieren, aber auch mit Reaktionen anderer Menschen machen konnten. Sie waren mit großem Interesse dabei und konnten durch ihren Expertenstatus auch dem Projekt-Team neue Ideen geben.
Begleitet haben die Stadtteilchecks Helga Folger, Elisabeth Jacob und Stadträtin Jutta Koller – alle drei Mitglieder des BA 11. Sie werden in der nächsten Zeit die Anliegen der „Stadtteilchecker/innen“ im Bezirksausschuss vertreten, damit festgestellte Mängel im Sinne der Barrierefreiheit verändert werden können. Die detaillierte Auflistung der getesteten Stellen in Schwabing-West und in Milbertshofen wird an den BA 11 und den BA 4 übergeben, um im Sinne der Nachhaltigkeit bauliche Veränderungen anzustoßen.