Am Donnerstag, den 19. Mai 2011 war es für 21 Kinder einer 4. Klasse der Grundschule an der Rennertstraße so weit, ihren Stadtteil in Neuperlach-Süd auf Barrierefreiheit zu testen, nachdem bereits eine Woche zuvor Teile von Neuperlach-Nord unter die Lupe genommen wurden.
Zur Vorbereitung auf diesen Tag hatte sich die Klasse schon am Dienstag mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Projekts „Auf Herz und Rampen prüfen“ getroffen. Während zwei Schulstunden konnten die Kinder ihre Fragen direkt an Menschen mit Behinderung stellen und bekamen so ein Gefühl für deren Lebenswelt.
Ganz im Zeichen der Barrierefreiheit stand dann der Tag, an dem die Kinder ihr Viertel testeten. Als Rollstuhlfahrer/innen, Blinde und Sehbeeinträchtigte machten sich die 14 Jungen und 7 Mädchen in drei Kleingruppen auf, um selbst zu erleben, wo es in ihrem Stadtteil noch nicht möglich ist, sich selbständig zu bewegen. Die festgestellten baulichen Barrieren gaben sie dann direkt an die beiden Bezirksausschussmitglieder des BA 16 weiter, die den Stadtteilcheck mit großem Engagement begleiteten, Otto Schlichtmeier und Joe Hensel.
Und da gab es einige! Zum Beispiel ganz unscheinbare Höhenunterschiede, deren Fehlen es Blinden jedoch schwierig macht: „Das ist schon blöd, wenn ein Zebrastreifen kommt und der Randstein auf der gleichen Ebene ist wie die Straße. Da fühlt man gar nicht, ob man schon auf der Straße ist“, stellte ein Mädchen fest, das sich blind den Weg durch Neuperlach-Süd bahnte. Schwierig für Menschen im Rollstuhl wurde es an der U-Bahn-Station Therese-Giehse-Allee. Als barrierefreier Zugang wurde am Südeingang eine ganz neue Rampe gebaut, die jedoch recht steil und lang ist, so dass ein selbständiges Hinauf- und Hinunterfahren für manche Menschen im Rollstuhl nicht möglich ist. Schwierig ist auch der Eingang in den Selbstbedienungsraum der Sparkasse in der U-Bahn Station Therese-Giehse-Allee. Zwar gibt es dort eine automatische Tür, die man vom Rollstuhl aus leicht bedienen kann, aber dann verhindert eine zu hohe Schwelle das selbständige Hineinfahren. Positive Erlebnisse gab es für die Teilnehmenden jedoch auch viele, besonders dann, wenn Teamarbeit gefragt war. Mit Tandems aus Rollstuhlfahrenden und Blinden bahnten sie sich den Weg durch Supermärkte und konnten so alles erreichen, denn mit dem Rollstuhl sieht man den Weg und kann führen, und als Blinde/r erreicht man auch Dinge, die weiter oben im Regal liegen.
Für die Kinder waren das intensive Erlebnisse, an die sie noch lange denken werden. Durch das nähere Kennenlernen anderer Lebenswelten sind von manchen auch große Ängste abgefallen. „Blind sein ist gar nicht einfach, aber wenn man mal einen Unfall hat und blind wird, hat man es vorher wenigstens schon mal ausprobiert“, meinte ein Mädchen in der Pause, nachdem sie bereits eine halbe Stunde blind unterwegs gewesen war. Das Projekt „Auf Herz und Rampen prüfen“ ermöglicht seit 2009 Kindern und Jugendlichen aus Münchner Schulen und Einrichtungen aller Stadtviertel intensive Einblicke in das Leben von Menschen mit Behinderung. Die Förderung durch die Landeshauptstadt München ermöglicht eine kostenlose Teilnahme. Eine Liste mit den Ergebnissen der Jugendlichen kann via PDF eingesehen werden